Im Jahr 1966 führte der Umzug am Fasnachtssonntag erstmals organisiert durchs Dorf
© Peter Lüdin
Damals wurde das Fasnachtskomitee gegründet, das seither für den Umzug an der Prattler Fasnacht verantwortlich ist. Zweiunddreissig Jahre lang hatte Mathias Haug, genannt «Schrüübli-This» den Vorsitz inne, ihm folgte für fünf Jahre Hanspeter Stauffacher (Stauffi), dann für vier Jahre Kurt Dalcher (Tschäcki). Nach weiteren acht Jahren legte Hanspeter Meier (Hampe) – nach dem fünfzigjährigen Bestehen des Fasnachtskomitees im Jahr 2015 – in die Hände von Peter Lüdin…
Man schrieb das Jahr 1958, als sich ein paar Interessierte bemühten, die verschiedenen Ak-tivitäten am Fasnachtssonntag «unter einen Hut» zu bringen, aber dafür bei der Gemeinde auf taube Ohren stiessen. Lediglich die Nutzung des Grossmatt-Schulhausplatzes wurde für fasnächtliche Aktivitäten bewilligt, sofern diese am Sonntagabend nach dem Fackelumzug stattfinden.
„Die Gemeinde verschliesst sich der Fasnacht zwar nicht, aber es müssen strenge Rahmenbedingungen eingehalten werden“ schrieb die damalige Obrigkeit in einem Brief.
1965 nahm This Haug noch einmal einen Anlauf und verschickte einen Einladungsbrief an die diversen aktiven Fasnächtlerinnen und Fasnächtler. Auch der Verkehrs- und Verschöne-rungsverein (heute VVP) zeigte Interesse an Haug’s Ideen, dass die verschiedenen Gruppierungen sich am Tag einem breiten Publikum präsentieren und am Abend nahtlos in den Fackelumzug übergehen können, in dem vorwiegend der junge Fasnachts-Nachwuchs teil-nimmt. Deshalb fand This Haug im damaligen VVP-Präsidenten, Walter Kohler, die nötige Unterstützung und bereits ein Jahr später, 1966, konnte dank den Bemühungen dieser zwei Prattler Persönlichkeiten der erste organisierte Fasnachtsumzug auf die Beine gestellt wer-den, an dem 28 Formationen teilgenommen haben. Die Fasnächtler genossen ihre Parade in fast überbordender Freude, während die Zuschauer, Jung und Alt, von diesem Umzug hell begeistert waren.
Statt einer Plakette gab es im ersten Jahr ein Abzeichen in Form eines kleinen Horns, ein Wahrzeichen von Pratteln mit einer eigenen Geschichte. Ab 1967 kreierte man bereits eine metallene Plakette und bestimmte, dass diese jedes Jahr ein neues Sujet erhalten und jedermann sich als Künstler betätigen und Vorschläge einreichen kann. Der Erlös aus dem Ver-kauf soll den Cliquen als Zustupf an deren Unkosten ausbezahlt werden. Der Entwurf der ersten Plakette stammte von «Dille-Adams-Emil.»
Alle Plaketten sind seit 1966 in zwei Vitrinen archiviert, die bei besonderen Anlässen ausgestellt werden.
Im Verlauf der Jahre kamen an der Prattler Fasnacht weitere Gefässe hinzu, wie zum Beispiel der Sternmarsch der musizierenden Cliquen sowie das Einhornen des Schneemanns am Samstagabend hinzu.
Hornen und Chläbbere sowie der Butz, sind alles uralte heidnische Bräuche, zu denen grosse Sorge getragen wird und vor allem der Butz, ein «Heische- und Bettelbrauch», wird – zum Stolz der Prattler – nur noch in Pratteln ausgeführt. Seine Herkunft liegt im Dunkeln und es gibt dazu mehrere Versionen. Eine Version beruht auf den Schilderungen des Lehrers Johann Tschudin, der im Jahr 1984 selbst eine der Butzfiguren verkörpert hat. Damals spielten junge Buben den Butz aus, in dessen Mitte sich der Bachus, der Weingott, befindet und die Behör-den stiessen sich daran: «weil die Minderjährigen dem Genuss des Weines, Bützler genannt, zu häufig zugetan waren».
Vielleicht haben deshalb Konfirmanden und Stellungspflichtige (Stäcklibuebe) die Aufgaben des Butz übernommen, der seit mehr als siebzig Jahren der Verantwortung des VVP untersteht.
Die Horner, die man egal welchen Alters ‘Hornbuebe’ nennt, begleiten heute, zusammen mit den Chläbberer, den Butz zu seinem grossen Auftritt am Samstag vor der Fasnacht. Die Er-kennungsmelodie der Horner ist das «Schufle und Charscht» und bei den Chläbberer heisst diese «d’Müllere het, sie het…»
Beide instrumentalen Gruppen begleiten am Sonntagabend den Schneemann auf seinem Weg zum Grossmatt-Schulhausplatz, und wenn er – von den Fackelträgern in Brand gesteckt – mit lautem Knallen verbrennt und dem Winter den Garaus macht.
Nicht zu vergessen sind die «Chnöchlischweller», die seit dem ersten Umzug im Jahr 1966 in riesigen Töpfen eine «küschtigi» Mehlsuppe anrühren. Zwischen sechs- und neunhundert Liter Mehlsuppe werden jedes Jahr an das Publikum ausgeschenkt.
Im Jahr 1987 führte der VVP am Dienstagnachmittag auch für die Kinder wieder eine organi-sierte Fasnacht ein. Am Kinderumzug dürfen die Kleinen auf den Wagen der Grossen mitfah-ren und als Nachwuchstalente erste Umzugsluft schnuppern. Nach dem Umzug durchs Dorf bildet im Kuspo die Prämierung der besten selbstgebastelten Kostüme und Larven den Höhepunkt der Kinderfasnacht.
In der eigens publizierten Jubiläumsbroschüre zum fünfzigjährigen Bestehen des organisierten Fasnachts-Umzugs findet man noch weitere interessante Berichte über die Geschehnisse während der ganzen Prattler Fasnacht, die am Samstag, Sonntag und Dienstag im Dorf, am Dienstagabend und neu am Freitag in der alten Dorfturnhalle ausgelebt werden.
Mit zwei Ausnahmen ist die Umzugsroute jedes Jahr dieselbe geblieben, denn anders, als in den Anfängen, ist die Gemeinde der Prattler Fasnacht inzwischen wohlgesonnen. Bei diesen Ausnahmen wurde der Umzug in den 90er Jahren über die Schlossstrasse, vor der Gemeindeverwaltung quer hinüber zur Bahnhofstrasse und an den beiden Altersheimen «Madle» und «Nägelin Stiftung» vorbei zurück ins Dorf umgeleitet, weil wegen Baustellen die übliche Route nicht befahren werden konnte.
Neu ist seit wenigen Jahren der Umzug der Schülerinnen und Schüler am Donnerstag vor den Schulferien, der inzwischen zu einem prächtigen Fasnachtsumzug angewachsen ist und Gross und Klein ins Dorfzentrum lockt.
Der Cherusball der Musikgesellschaft Pratteln (neu) am Freitagabend, bildet dann den Abschluss der farben- und gesellschaftsprächtigen Prattler Fasnacht.